Fatou aus Banjul, Gambia

Fatou verlässt ihr Land Gambia, ohne jemandem etwas zu erzählen. Ihr Leben ist von Armut geprägt. Nur mit einer kleinen Tasche als Gepäck macht sie sich auf den Weg Richtung Norden. Niemand weiß davon. Sie reist auf verschiedene Arten, meistens mit dem Bus. Unterwegs trifft sie andere, die ebenfalls auf der Flucht sind. Sie schließt sich ihnen an. Gerastet und geschlafen wird dort, wo es gerade passt, meistens unter freiem Himmel. Schließlich schafft sie es ans Mittelmeer. In einem kleinen Boot mit ungefähr 40 Personen gelangt Fatou nach Europa. „Wenn man in das Boot steigt, dann ist dein Leben in den Händen Gottes. Man opfert sich für Gott. Wenn er will, dass man stirbt, dann stirbt man“, sagt sie zu ihrer Überfahrt. Ihre Flucht dauert insgesamt drei Monate.

Sie landet in Deutschland. Aber sie ist längst nicht angekommen.Denn hier ist sie einsam. Als sie eine gambische Frau trifft, ist sie glücklich. Diese schlägt ihr vor, ihren Schwager zu heiraten. Fatou stimmt zu. Sie will nicht alleine bleiben. Die beiden haben eine muslimische Hochzeit, die schnell nach dem Entschluss stattfindet. Das junge Ehepaar kennt sich kaum. Fatou wird schwanger. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig, denn ihr Mann beginnt, sein „wahres Gesicht“ zu zeigen. Er ist aggressiv und sucht Streit. Als Fatou im fünften Schwangerschaftsmonat ist, schlägt er sie. Die Narbe an ihrer Hand ist noch sichtbar. Fatou beschließt, ihn zu verlassen. „Ich kam nach Deutschland, um in Frieden zu leben. Wenn ich Ärger gewollt hätte, wäre ich in Afrika geblieben.“

An Tagen, an denen sie besonders traurig ist und sie die Erinnerungen quälen, sieht sie ihren kleinen Sohn an. Mit seinen großen dunklen Augen strahlt er sie an. Bald wird er laufen lernen und die Welt auf eigenen Beinen entdecken. Sie ist froh, dass er in einem friedlichen Land in Sicherheit aufwachsen darf und nicht in einem von ständiger Unsicherheit, Gewalt und Armut geprägten Land wie ihrer Heimat.

Heute wohnt Fatou mit ihrem Kind im Flüchtlingsheim, sucht aber nach einer Wohnung. Das ist jedoch schwierig alleine. Im Flüchtlingsheim ist sie die einzige aus Gambia, doch sie teilt sich die Küche und das Badezimmer mit NigerianerInnen. Mit diesen versteht sie sich gut, sie haben viel gemeinsam. Obwohl Fatou versucht, immer freundlich zu sein, hat sie wenig deutsche FreundInnen. Noch ist ihre Sprachbarriere ein Problem. Über das Deutsche Rote Kreuz, wo sie vor der Schwangerschaft ehrenamtlich gearbeitet hat, trifft sie Christine, mit der sie sich anfreundet. Deren Sohn ist ein Jahr älter. Manchmal treffen sie sich auf dem Spielplatz.

Gerne würde Fatou wieder in den Sprachkurs gehen. Sobald ihr Sohn in den Kindergarten kommt, würde sie gerne eine Ausbildung machen. Altenpflege würde ihr gefallen. Sie mag es, Menschen zu helfen, sie zum Lachen zu bringen. Auch wenn ihr oft selbst nicht danach ist.

Auf die Frage, ob sie in Deutschland Rassismus erfahren habe, meint sie, Rassismus sei überall in dieser Welt. Trotz allem bleibt Fatou optimistisch. Sie glaubt, dass das Gute folgt, wenn man Gutes tut. Ebenso, dass man Schlechtes erfährt, wenn man Schlechtes macht. Jedoch fügt sie an: „Wenn du möchtest, dass jeder dich mag, dann wirst du bald sterben. Wenn du möchtest, dass dich jeder hasst, dann wirst du auch bald sterben. Man braucht von beidem etwas. So ist das Leben. Und ich glaube, das, was zu dir passt, wird dich finden.“

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Lea Spitz

Lea Spitz, Jahrgang 1997, macht – nach ihrem Abitur an der Anne-Frank-Schule in Rastatt - Chennai in Indien unsicher. Sie absolviert ihren Freiwilligendienst bei einer NGO, die hauptsächlich im Bereich HIV- und Aidsaufklärung arbeitet. Inzwischen hat sie sich gut in Indien eingelebt und mag es sogar, auf dem Motorrad mitzufahren. Ohne Helm. „Aber verratet das bloß nicht meinen Eltern!“ RAVOLUTION ist für sie ein Inspirationspool. „Es ist interessant zu sehen, was die anderen RAVOLUTIONÄRE gerade bewegt und an eigenen Ideen einzubringen.“ Zum Glück geht das auch über Ländergrenzen hinweg! (Text am 30.01.2018 aktualisiert)