Awa aus Tallinding und Lamin aus Essau, beide aus Gambia

„Es ist sehr schwer, das Erlebte zu verarbeiten“, sagt die 22-jährige Awa aus Gambia und es bilden sich Tränen in ihren Augen. Ihr Leben liest sich wie ein einziger Alptraum: Die Mutter verlor sie im Alter von 10 Jahren, ihr Vater war bei ihrer Geburt bereits tot. Mit der Tante, bei der sie aufwächst, kommt es zu Spannungen. Sie wird schwanger, wird ausgestoßen, lebt mit ihrem Sohn auf dem Markt, wo sie kleine Arbeiten verrichtet. Das Überleben ist ein täglicher Kampf. Wünsche? Träume? Sie funktioniert nur. Mehr schlecht als recht.

Sie will sich in einem Fluss das Leben nehmen, wird gerettet. Doch was für eine Rettung: Ein Mann will sie zur Prostitution nach Libyen verkaufen. Sie kann fliehen, aber ohne ihren Sohn. Sie weiß nicht, wo er ist. Von Libyen geht es übers Meer nach Europa. Endlich Sicherheit in Deutschland.

Sie hat jetzt eine eigene kleine Wohnung, hat zu essen und kann endlich in einem Bett schlafen. Sie versucht, Normalität zu schaffen – eine eigene Familie zu gründen. Findet in Landsmann Lamin einen Gleichgesinnten und lebt nun mit ihm und ihrem zweiten Sohn, dem einjährigen Ousman, zusammen. Aber die Geister in ihrem Kopf wird sie nicht los. Wie ergeht es ihrem ersten Sohn, der jetzt bei Verwandten lebt? Wie geht es mit ihr weiter? Sie darf vorerst für ein Jahr in Deutschland bleiben.

Der 21-jährige Lamin hat seinen Vater nie zu Gesicht bekommen. Nach dem Tod seiner Mutter blieb er alleine und verloren zurück, macht sich mit 16 Jahren auf die Reise in ein unbekanntes Leben. Er ist fünf Jahre unterwegs – Gambia, Senegal, Mali, Niger, Libyen, schließlich trifft er in Europa ein. Er schätzt sehr, dass es hier Regeln gibt und eine Schule mit Deutsch-Unterricht. Er kann in einem Verein Fußball spielen und macht nun nach einem sechs-monatigen  Praktikum eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb. Mit den Arbeitskollegen versteht er sich gut, mit Deutschen und anderen Migranten. Aber auf der Straße ist er immer wieder Anfeindungen ausgesetzt: Was hast du hier verloren? Geh’ dorthin zurück, wo du herkommst! Und andere Pöbeleien. Dabei träumt er einen ganz einfachen Traum: vom ruhigen Leben mit seiner Familie, von guter Arbeit und dass er keine Fehler macht.

Autorin Ute Kretschmer-Risché

Ute Kretschmer-Risché

Chefredakteurin RAVOLUTION. Journalistin und Autorin, Geschäftsführerin bei der Agentur exakt, Rastatt. Jahrgang 1964. "Ich möchte junge Menschen für Journalismus begeistern – als Leser und als Schreiber. Weil seriöse Medien der Garant für unsere Demokratie sind. Weil ich unsere Sprache liebe und weil Fakten das beste Mittel gegen Fake News sind."