Olena aus Odessa, Ukraine

Olena ist im Juli 2022 mit ihrem Mann und ihrer jetzt 5-jährigen Tochter zuerst nach Karlsruhe gekommen. Rund drei Wochen später landen sie in Bühl, wo sie noch immer leben. Ihr Ziel war nicht geplant. „Das war wie ein Casinospiel“, sagt die 45-Jährige heute. Ihre Freundin landet im Bus nach Eisenach in Thüringen. Die kleine Familie wird auf den Transport ins Badische zugewiesen.

Zurück in der Ukraine bleiben Mutter und Schwiegereltern. „Meine Mutter sagt, sie ist schon alt, sie will ihre Heimat nicht verlassen.“ Dabei ist es nicht ihr Geburtsland, ursprünglich kommt sie aus Russland, aber seit 1965 wohnt sie in der Ukraine. „Wenn ich tot bin, dann bin ich tot“, sagt die 76-Jährige. Sie will nicht weg. Auch wegen ihrer zweiten Tochter, die mit Mann und Kindern geblieben sind, weil der 21-jährige Sohn nicht ausreisen darf. Dagegen ist Olena froh, in Sicherheit zu sein.

Olena ist studierte Kunstlehrerin. 18 Jahre lang hat sie an einer Jugendkunstschule in Odessa gearbeitet und war selbstständig mit einem eigenen Kunstatelier, in dem sie Erwachsene unterrichtete. Das würde sie gerne wieder tun. Sie hofft auf die staatliche Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland. „Mit der deutschen Sprache habe ich große Schwierigkeiten. Ich bin keine alte Frau, trotzdem ist es für mich ein bisschen schwer, neue Sprachen zu lernen. Ich habe meine B2-Prüfung nicht bestanden, ich werde jetzt weiter lernen.“ Sie muss mindestens das Sprachlevel C1 erreichen.

Zur Zeit arbeitet sie ehrenamtlich und leitet ein Kunstprojekt für Frauen im Rahmen des Projekts Safe Spaces des DRK Bühl-Achern. Wo Kinder und Jugendliche mit Migrations- und Fluchterfahrung Kreativangebote wahrnehmen können. Eine Win-win-Situation für Olena und die jungen Teilnehmenden. Daneben putzt sie in einem Büro, und ihr Mann kocht in  einem Restaurant in Bühl.

Sag mal, Olena, wie erträgst du die News über die Ukraine? Ihre Antwort kommt schleppend. Wir haben ihre Antworten inhaltlich nicht verändert, aber ihr Deutsch lesbar angepasst: „Ich lese keine Nachrichten. Ich frage nur meine Mama oder Freunde. Wir kommunizieren über WhatsApp oder Viber. Wir haben keinen Fernseher. Ich will gar nicht wissen, was in den Nachrichten steht – das ist einfach zu viel. Am Anfang haben wir jeden Tag alles gelesen, aber das war sehr belastend. Irgendwann habe ich gesagt: ‚Es reicht, ich will das nicht mehr.‘ Man bekommt sowieso vieles mit. Aber ich möchte das nicht sehen. Es ist zu schwer. Ich rufe meine Mama an, frage, ob alles in Ordnung ist – und wenn ja, dann reicht mir das.“

Klar hat sie Heimweh. Wann sie zurückkehren können? Jemals? Sie weiß es nicht. „Wenn ich alleine wäre würde ich vielleicht einfach zurückkehren und alles seinen Lauf nehmen lassen. Aber ich habe ein Kind, und deshalb muss ich immer an die Zukunft und an die Möglichkeiten für mein Kind denken.“ Elena stockt, während sie spricht. Dann weint sie: „Selbst wenn der Krieg heute zu Ende ginge, würde es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis das Land wieder aufgebaut ist.“

Dieser Beitrag wurde 2025 von Ute Kretschmer-Risché geschrieben.