
Bereits 2018 haben wir über Ahmad geschrieben: Er ist das beste Beispiel für „gelungene Integration“. Das setzt sich von Jahr zu Jahr fort. Er kann nicht nur gut Deutsch – er spricht sogar badisch. Immer wieder rutscht ihm eine liebenswerte Dialektfärbung raus. Sogar wenn Ahmad in seiner Muttersprache Arabisch redet, fließen deutsche Wörter ein. Manchmal, sagt er, fallen ihm einfach nicht mehr die Begriffe von früher ein. Über zehn Jahre in Deutschland haben ihn geprägt.
Die Sprache, das wird immer wieder gesagt, ist der Schlüssel für so vieles in Deutschland. Dazu passt, dass der mittlerweile 34-Jährige seit zehn Jahren im gleichen Betrieb arbeitet: bei B&K Offsetdruck in Ottersweier, wo er den Traditionsberuf des Druckers gelernt hat. Dabei hatte er nur kurz einen Sprachkurs, Deutsch hat er sich im Alltag selbst beigebracht. Ein weiterer Schlüssel zur Integration ist die Akzeptanz in seinem Umfeld. Ahmad gelingt, was viele nicht kennen: Er hat neben Syrern, die hier leben, auch viele deutsche Freunde. Von seinem Arbeitsplatz schwärmt er sowieso.
Richtig angekommen ist er 2020: Da heiratet er die Syrerin Kamar Bakkor mit türkischen Wurzeln. Beide wohnen in Ottersweier. Wäre die Hochzeit nicht mitten in Corona gewesen, hätte es auch ein großes Fest gegeben. Seit 2020 hat er zudem die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit dem Pass in der Tasche kann er seine Eltern und Geschwister in Syrien besuchen. So viele Jahre hat er sie nicht gesehen, sie durch sein Gehalt mitunterstützt. Seine Mutter habe ihn angeschaut – und ihn erstmals als Mann gesehen. Denn selbst mit 23, als er nach Deutschland flüchtete, sei er noch wie ein Junge gewesen.
Der Besuch in der alten Heimat war für ihn aber auch erschreckend. So vieles sei durch den Krieg und Assads Schreckensherrschaft zerstört und verändert worden. „Ich wollte nach einer Woche einfach wieder zurück nach Deutschland. Hier stimmt alles. Hier verstehe ich alles.“ Und doch, das nimmt er auch wahr, habe sich seine zweite Heimat nach Corona verändert. Vorher habe er eine bessere Stimmung gespürt, mehr Freiheit, mehr Frieden.
Trotzdem. Deutschland, das ist seine Bilanz nach zehn Jahren „Wir schaffen das“: Deutschland ist das Land, in dem er gefunden hat, wonach er suchte: Sicherheit und Perspektive.
Ahmad ist 27 Jahre alt und wohnt in Bühl. Er ist das beste Beispiel für „gelungene Integration“. Warum? Weil er eine Ausbildung in Deutschland abgeschlossen hat, seine Wohnung selbst bezahlt und auch deutsche Freunde hat. Das sind die Fakten. Aber wie geht es ihm dabei? Seine Geschichte kann er in gutem Deutsch erzählen.
„Ich bin dankbar für alles, was ich habe. Ich weiß, dass ich Glück hatte.“ Doch alles hat auch andere Seiten: „Meine Familie wohnt noch in Damaskus. Ich habe große Angst, dass ihnen etwas passiert, bisher geht es ihnen zum Glück gut. Ja, ich bin glücklich, hier zu sein, aber der Weg hierher war nicht leicht.“
Ahmad hatte ein tolles und erfolgreiches Leben in Damaskus, war glücklich – bis der Krieg begann. Da begann seine Odyssee, immer auf der Suche nach Sicherheit, Arbeit – und Zukunft. Er floh in den Libanon, dann weiter nach Ägypten und schließlich nach Libyen, wo er Arbeit fand. Bis auch hier wieder Krieg ausbrach. „Wieder musste ich meine Pläne über den Haufen werfen. Ich hatte nie vor, nach Deutschland zu kommen.“ Fast fünf Tage war er auf dem Meer, bis er in Italien landete, schließlich mit dem Zug in Deutschland ankam. Endlich ein sicherer Ort für ihn. „Ich schlief zwar in einem Heim mit vier Personen in einem Zimmer, durfte nicht zur Schule und die einzige Arbeit, die mir genehmigt wurde, war eine Arbeit für etwa einen Euro pro Stunde, doch es war sicher. Ich wartete acht Monate auf meine Papiere. Dann durfte ich endlich in die Schule gehen und Deutsch lernen.“
Sein großes Glück: Er fand eine Ausbildungsstelle bei B&K Offsetdruck in Ottersweier. „Das erste Jahr war sehr schwer. Doch es wurde besser: Das zweite war schon leichter und nun, nach dem dritten Jahr und meinem Abschluss, beherrsche ich die deutsche Sprache recht gut.“ Jetzt ist er dort Mitarbeiter – „ein Mitarbeiter wie jeder andere. Wie auch die Deutschen. Ich fühle mich sehr wohl dort, habe Freunde, verstehe die Sprache und habe den besten Chef. In meiner Freizeit treffe ich mich mit Freunden – syrische Freunde sehe ich dabei meist nur am Wochenende, viele meiner Freunde sind Deutsche –, räume meine Wohnung auf oder spiele Fußball. Ich will jetzt erst einmal arbeiten und irgendwann meinen „Meister“ machen.“ Seit Februar 2018 wartet er auf die Bestätigung seiner unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung – oder zumindest auf eine Verlängerung um 3 Jahre. „Bisher habe ich dazu keine Informationen. Das stresst.“
Aber Ahmad ist zufrieden mit seinem Leben. „Wäre ich in Syrien geblieben, hätte ich jetzt wohl ein abgeschlossenes Studium, einen ziemlich guten Job und weiterhin mein Geschäft – oder ich wäre tot. Dieses Risiko war mir zu hoch. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Und weiter: „Könnte ich Frau Merkel etwas sagen, dann wäre es das: Ich bedanke mich sehr“. Sie hat uns geholfen, mir geholfen. Manche Deutsche mögen das nicht verstehen, doch für mich waren sie und ihre Politik der Schlüssel für ein neues und sichereres Leben. Wenn ich allen Menschen in Deutschland etwas sagen könnte, wäre es das: „Denkt ein bisschen nach, versetzt euch in die Lage der Geflüchteten – und ja, „Geflüchtete“, nicht „Flüchtlinge“. Ich will kein „Flüchtling“ sein. Ich will Mensch sein. Und ich möchte, dass ihr den Menschen in mir seht, dass ihr mit mir redet und Kontakt mit Geflüchteten aufnehmt. Beginnt den Menschen in uns zu sehen.“
Sein Appell ist ganz klar: „Ich wollte nie Geflüchteter sein, aber ich musste, denn nur in Deutschland bot sich mir ein sicheres Leben. Diese Entscheidung hätten viele von euch genauso getroffen, wären sie in meiner Situation gewesen. Ihr wollt das vielleicht nicht sehen, aber: Alle Menschen sind gleich. Und vor allem: Wir sind alle Menschen und viel mehr als die Schubladen, in die wir uns gegenseitig stecken. Ich bin glücklich, dass ich hier bin und von meinen Freunden und Kollegen als einer von ihnen angesehen werde, als Mensch in Deutschland. Das kann jeder. Bitte, beginnt den Menschen zu sehen.“
Dieser Beitrag wurde 2017 von Sandra Overlack geschrieben und 2025 von Ute Kretschmer-Risché aktualisiert.