Ahmad aus Damaskus, Syrien

Was für ein Unterschied – damals und heute. Ahmad habe ich 2016 kennengelernt. Ein ruhiger, sehr ernster junger Mann. Er lächelte selten. Mittlerweile ist die Fröhlichkeit in sein Leben zurückgekehrt. Der Grund: Er konnte seine Frau aus Syrien nach Deutschland holen. Die Beiden haben mittlerweile zwei Söhne: Sam, bald 3, und Saif, 1. Die Familie und sein festes Arbeitsverhältnis im Bereich Logistik bei einer Firma in Haueneberstein geben ihm Halt und Sicherheit.

Er hat intensiv Deutsch gelernt und das Sprachniveau B2 erreicht. Die schriftlichen Antworten auf unsere Fragen kamen im perfekten Deutsch. Schelmisch grinst er, als er mich besucht: „ChatGPT hat mir geholfen!“

„Ich bin sehr glücklich hier – Rastatt ist für mich nicht nur ein Wohnort, sondern ein Stück Heimat geworden. Als ich Ende 2023 umziehen wollte, war für mich klar: Ich suche keine neue Stadt, denn mit Rastatt verbinden mich viele Erinnerungen und emotionale Momente.“

Der Abschied von Damaskus im Jahr 2015 war schmerzhaft, aber notwendig, so Ahmad: „Ich wollte mich nicht an einem sinnlosen Krieg beteiligen, den einer der grausamsten Diktatoren der heutigen Zeit, Bashar al-Assad, entfesselt hatte.“

Ahmad kam am 30. Dezember 2015 nach Deutschland –  „ein Datum, das ich nie vergessen werde, denn es markierte einen tiefgreifenden Wendepunkt in meinem Leben und dem meiner Familie.“ Eigentlich wollte er, der so gerne fotografiert und ein Auge für das Visuelle hat, eine Ausbildung im Bereich Mediengestaltung machen: Aber die Lebensumstände – vor allem nach dem Tod seines Vaters – zwangen ihn dazu, direkt ins Berufsleben einzusteigen, „um meine Familie in Syrien finanziell zu unterstützen“.

Heute, erzählt er,  „bin ich – trotz aller Herausforderungen – dankbar und zufrieden. Deutschland hat mir viel Unterstützung gegeben, und ich betrachte mich als gut integriert: Ich spreche die Sprache, habe viele deutsche und europäische Freunde, und bin mittlerweile deutscher Staatsbürger. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn und fühle mich in meinem Wohnumfeld sehr wohl.“ Das klingt – dank Technik – sprachlich perfekt und durch seine Persönlichkeit authentisch.

„Ich fühle mich hier wirklich heimisch. Für mich bedeutet Heimat nicht nur Herkunft, sondern der Ort, an dem Erinnerungen, Gefühle und geliebte Menschen zusammenkommen – all das habe ich in Rastatt gefunden. Ich habe es nie bereut, nach Deutschland gekommen zu sein – im Gegenteil, es war die beste Entscheidung in einer sehr dunklen Zeit meines Lebens. Ich brauchte damals einen Neuanfang, weil ich spürte, dass mein Leben in Syrien am Abgrund stand.“

Und heute? Wie geht es für ihn weiter? Ahamd: „Ehrlich gesagt, solange das Regime von Assad an der Macht war, hatte ich keine Gedanken an Rückkehr. Doch seit seinem Fall spüre ich eine tiefe Sehnsucht nach Syrien. Ob ich eines Tages zurückkehre, weiß ich nicht. Es ist eine sehr schwere Entscheidung, vor allem mit Familie und Kindern. Eine Rückkehr würde bedeuten, wieder ganz von vorne zu beginnen.“

Erlebst du Ressentiments gegen dich und gegen Flüchtlinge? Wobei du jetzt ja ein Deutscher bist.
„Was die öffentliche Debatte über Geflüchtete betrifft, verfolge ich sie nur noch am Rande – vor allem, weil sich meine rechtliche Situation mit der Einbürgerung verändert hat. Aber ich spüre deutlich, dass sich die Stimmung im Land gewandelt hat. Deutschland ist nicht mehr so offen wie vor ein paar Jahren. Leider haben auch einige Geflüchtete mit Fehlverhalten das Bild aller beeinträchtigt. Die meisten Deutschen in meinem Umfeld sind freundlich, offen und herzlich – ich schätze mich glücklich, in einer solchen Umgebung leben zu dürfen.“

Das klingt gut. Gibt es auch einen Wermutstropfen? Ich erkläre, was das Wort bedeutet. Und dann fließt es aus ihm raus „Die Erfolge der AfD machen mir Sorgen. Es ist ein extrem rechter und ausländerfeindlicher Kurs, der nicht nur Migranten betrifft – sondern die ganze Gesellschaft. Selbst mit deutschem Pass bleibe ich für diese Partei ein Mensch zweiter Klasse – oder zehnter Klasse, wer weiß.“

Ahmad ist Fotograf aus Syrien. Der 29-jährige hat alle Fotos für unser Projekt gemacht. In seiner Heimat hatte er ein eigenes Fotostudio – in Rastatt arbeitet er als Leiharbeiter in der Industrie. Sein beruflicher Traum ist in Syrien begraben. Jetzt träumt er von einem „sicheren und guten Leben“ in Deutschland. Denn in Syrien war er gezwungen, in dem sinnlosen Krieg mitzukämpfen. Immer den Tod vor Augen. Schließlich konnte er in den Libanon fliehen, von dort in die Türkei. Die nächste Etappe war seine größte Überwindung: Als Nichtschwimmer in ein Boot zu steigen und das Mittelmeer zu überqueren. Der erste Anlauf scheiterte und nach 50 Metern kippte das Boot um und ging unter. Zum Glück konnte er sich retten. Beim zweiten Versuch klappte die Fahrt, und die Flüchtigen kamen heil in Griechenland an. Das waren die einprägsamsten Momente seiner Flucht, erzählt er stockend.

Vor zweieinhalb Jahren landete er in Deutschland. Von Anfang an wollte er Deutsch lernen. Er wusste, dass ein gutes Leben nur über die Sprache funktionieren kann. Im Deutschkurs lernte er neue Menschen kennen, auf der Arbeit weitere. Er fühle sich nicht mehr fremd und ist dankbar dafür. Deutschland, sagt er, gibt ihm eine Perspektive und vor allem Sicherheit. Allerdings glaubt er nicht mehr daran, es als Fotograf in Deutschland zu schaffen. Und wovon träumt er dann? Was für ihn zählt, ist die Familie und ihr Wohlergehen. Er wünscht sich, dass sie es eines Tages schafft, hier herzukommen. Bis dahin hofft er, dass die Flüchtlinge den Islam vorbildlich repräsentieren, sodass der ein oder andere misstrauische Einheimische Geflüchtete nicht wegen der Religion verurteilt.

Er sieht, dass viele Deutsche Angst vor dem Islam haben. „Religionen sind von sich aus gut, es sind böse Menschen, die alles in den Dreck ziehen“, sagt Ahmad. Den intoleranten Bürger würde er gerne fragen: „Kennen Sie etwa keinen Christen, der böswillig ist?“ Es werde wohl nie eine Gesellschaftsform oder Religion geben, die nur friedliche Anhänger habe. Deshalb will er, dass Menschen ihren Grips nutzen und jeden als Individuum kennen lernen möchten. Mit jeweils eigener Geschichte und eigenen Träumen. Dann würden viele erkennen, dass viele Flüchtlinge nur ein sicheres Leben suchen – so wie sie selbst womöglich auch. Natürlich gebe es auch Schmarotzer, die nur das Geld wollten ohne zu arbeiten, ohne sich in Deutschland einzubringen und Menschen kennenzulernen. Deshalb der Appell im Sinne aller engagierten Migranten: Unterscheiden Sie diese von uns!

Dieser Beitrag wurde 2017 von Kevin Bernowski geschrieben und 2025 von Ute Kretschmer-Risché aktualisiert.