
„Servus“, so beginnt Yazan seine Gespräche. Ein bisschen singend, immer lächelnd. Trotz mancher Schicksalsschläge ist er das beste Beispiel für ein Stehaufmännchen. Als er am 25. Dezember 2015 zusammen mit seinem Bruder Ahmad nach Deutschland kommt, trägt er seine Haare lang und offen über die Schulter. Wie ein typischer Musiker – das war auch sein Berufswunsch, in Syrien und noch 2018, beim ersten Teil unserer Ausstellung. Der Traum ist geplatzt. Yazan ist trotzdem erfolgreich und glücklich – mit einem ganz anderen Lebensentwurf.
Yazan ist Fachmann für Möbel und Küchen. Er arbeitet bei einem großen Einrichtungshaus und baut Küchen auf. Oft bis spät am Abend und an Samstagen. Das Paradebeispiel für eine Erfolgsgeschichte – die Brüder Moullaissa.
Sein Bruder Ahmad macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Ein gefragter Beruf, bei dem er seinen Wunsch realisieren kann: erfolgreich in Deutschland sein. Das Bruderpaar wohnt weiterhin zusammen, mittlerweile in Gaggenau. Yazan zieht eine Parallele zu seiner Heimatstadt: „Da fließt der Euphrat mitten durch die Stadt so wie die Murg in Rastatt und in Gaggenau.“
Ob sie sich vorstellen können, wieder zurück nach Syrien zu gehen? Yazan sagt, dass er es nicht weiß. Weil seine Stadt zu 90 % durch den Krieg zerstört sei. Weil er sich hier wohl fühle und eine gute Arbeit habe. Aber er sei auch in Sorge, wie sich die politische Lage in Deutschland entwickelt. Ihm macht zu schaffen, dass es Rechtsradikale gibt, die selbst gegen Migranten bei deren guter Integration seien. Dabei wollen sie nur in Frieden leben und ihren Beitrag für ein gutes Miteinander hier im Badischen leisten.
Über zwei Jahre ist es her, dass Ahmad und Yazan ihre Familie nicht mehr gesehen haben. Die Brüder flohen vor dem Krieg in ihrem Heimatland Syrien über die Türkei und Griechenland nach Deutschland. In Syrien hätten sie zum Militär gemusst, auf ihre eigenen Landsleute schießen. Was für ein unerträglicher Gedanke. Vielleicht wären sie heute schon tot oder hätten viel Leid auf sich geladen. Das Brüderpaar ist oft nachdenklich und denkt voller Trauer an die Eltern und einen ihrer Brüder, der in einem Gefängnis des Assad-Regimes sitzt und von dem sie seit Jahren nichts mehr gehört haben. Wie geht es ihm? Lebt er noch? Was muss er leiden?
Ahmad und Yazan besuchen Deutschkurse und Schulen. Der 18-jährige Ahmad hat mittlerweile seinen Hauptschulabschluss, um über die Realschule und das angestrebte Abitur studieren zu können. Sein großer Traum: Er will Rechtsanwalt werden. Seine Motivation: „Ich will Menschen helfen, die sich nicht mehr selbst helfen können“. Zögernd setzt er hinzu, dass dieses Studium wohl nur ein Traum bleiben wird. In Deutschland sieht er kaum Chancen für seine Pläne. Er würde gerne neue Kontakte knüpfen, um mit Jugendlichen vor Ort besser Deutsch zu lernen. Die Frage, ob er zurück nach Syrien gehen würde, sollte der Krieg vorbei sein, kann er nicht beantworten. Einerseits vermisse er seine Heimat und seine Familie. Auf der anderen müsste er dort wieder bei null anfangen, während er in Deutschland schon die ersten Schritte gemacht hat.
Yazan (23) schließt sich der Aussage über die Familie an. Er ist sich jedoch sicher, dass er nicht zurück will. Er möchte in die Fußstapfen seines Vaters treten und sich eine Kariere als Musiker aufbauen. Zusammen mit seinem Bruder tritt der Gitarrist bereits bei kleinen Festen auf. Sein Traum wäre es, erfolgreich zu sein und nach Baden-Baden zu ziehen, die für ihn die schönste Stadt der Gegend ist. Und was ist, wenn sie immer wieder hören, dass viele Flüchtlinge kriminell seien? Yazan schüttelt den Kopf: „Uns ist bewusst, dass es bei uns viele Idioten gibt. Einige von denen sind auch hierher gekommen. Aber es sind auch Menschen wie wir hier, die einfach nur ein normales leben führen wollen. Und diese Menschen sind in der Überzahl.“
Kleines Happy-end im September 2018: Ein Bruder, Karam, 26, Architekt, trifft in Deutschland ein. Die drei Brüder fallen sich in die Arme. Wiedersehen nach Jahren. Sie haben viel zu reden. Über Vergangenes. Und über die Zukunft. Wer weiß, was kommt. Aber jetzt überwiegt erstmal die Freude. Auch wenn vom Bruder im Gefängnis weiter ein Lebenszeichen fehlt. Aber zumindest drei Brüder sind wiedervereint.
Dieser Beitrag wurde 2017 von Ian-Titus Manta geschrieben und 2025 von Ute Kretschmer-Risché aktualisiert.